Haus No. 48

Meine jüngst erschienene Schrift zum „Haus No. 48“ war ein Herzensanliegen! Die umfangreichen Recherchen zu dieser „historischen Sölde in Irsee“ führten mich erneut in Archive und Bibliotheken, verwickelten mich in berührende Gespräche mit Zeitzeuginnen und ließ mich in der Irseer Geschichtswerkstatt nach Abbildungen suchen. Noch nie hatte ich eine Hauschronik geschrieben, hatte mich noch nie so gründlich mit der baulichen Entwicklung jenes Mittertennbaus befasst. Diese Sölde war Sitz von Handwerkern und Nebenerwerbsbauern, eben Söldnern. Je weiter meine Tiefenbohrung in die Geschichte des Hauses hinabreichte, desto mehr bekamen seine Bewohnerinnen und Bewohner ein Gesicht. Rund zehn Generationen, verbunden mit Namen wie Waibl, Starck, Ostenried, Kohlhund, Hörmiller oder Bartenschlager. Schmiede, Lumpensammler, Maurer, Sattler, Büglerinnen.

Das städtebaulich prägende Anwesen No. 48 im Oberen Dorf entstand spätestens um 1730. Seine Errichtung und die seiner Nachbarhäuser ragte mitten in eine erneute Blütezeit der Irseer Benediktinerabtei, geistiges und geistliches Zentrum im Ostallgäu. Die Abhängigkeiten zwischen Kloster und der örtlichen Bevölkerung waren eng: Das Stift vergab den Grund und Boden gegen die Ableistung von Fronarbeiten. Darüber hinaus waren Geldleistungen (Stift) zu leisten und Naturalien (Gült) an das Kloster zu entrichten.

Im Rahmen der gesellschaftlichen Umbrüche vor und nach der Säkularisierung im Jahr 1802 erlitt der Ort einen massiven wirtschaftlichen Niedergang: Nicht nur die Mönche verschwanden aus dem Ortsbild Irsees, vor allem verlor der Ort seinen Hauptarbeitgeber. Das Kloster zerfiel. Erst 1849, mit der Einrichtung einer Kreis-Irren-Anstalt in den Räumlichkeiten des verlassenen Klosters fand auch die Ortsbevölkerung wieder Arbeit, unter anderem als Pfleger und in der Anstaltsgärtnerei.[1]

Um 1900 wurde Haus No. 48 an seine landwirtschaftliche Nutzung angepasst, wurde um eine Wiederkehr erweitert, der seit dem 18. Jahrhundert bestehende, bislang in Holz ausgeführte Austrag versteinert, das Dach des Anwesens aufgesteilt. Auch wenn weiterhin das Handwerk seine Bewohner ernährte, bekam doch die Landwirtschaft größeres Gewicht. Die Landwirtschaft bestand bis 1949. Aus dem dann nutzlosen Stall wurde in den 1960er Jahren eine Wasch- und Bügelstube. Mit der Aufgabe der Bügelstube in den 1980er Jahren ein Lager für Gerüstteile, Farben, Pinsel … Das irgendwie aus der Zeit gefallene Anwesen wurde in den 1980er Jahren zum Abriss empfohlen, doch dann – in neuen Händen – … 2017 unter Denkmalschutz gestellt.

Dass nach einer an den Prinzipien des Denkmalschutzes orientierten, ressourcenschonenden Sanierung – deren Schilderung in den Irseer Blättern Nr. 14 breiten Raum einnimmt – dieses über Jahre leerstehende und baufällige Haus wieder einer Nutzung zugeführt ist, soll als Ermutigung aufgefasst werden, eines der vielen, dem Verfall preisgegebenen, ortsbildprägenden Häuser des Ostallgäus zu sanieren. Dass diese Hoffnung die Bereitschaft derzeitiger Eigentümer voraussetzt, sich von Ihrem Besitz zu trennen, statt ihn verfallen zu lassen, sollte nicht unerwähnt bleiben. Eigentum verpflichtet (Artikel 14 Absatz 2 GG)!

Das von Christian Strobel und Dr. Stefan Raueiser herausgegebene und im Grizeto Verlag liebevoll verlegte Heft steht seit Mai 2025 als Download zur Verfügung und ist an Klosterpforte von Kloster Irsee für eine Schutzgebühr von 5 € zu beziehen. Aus Platzgründen wurde in dem Heft auf einen Abdruck der umfangreichen transkribierten Quellen aus dem Staatsarchiv Augsburg verzichtet. Diese sind deshalb hier als PDF zugänglich. Man möge mir nachsehen, wenn die Transkription auf Grund der schwer lesbaren handschriftlichen Dokumente Lücken aufweist.


[1] Siehe dazu unter https://www.kloster-irsee.de/fileadmin/redaktion/irsee/pdf/downloads/2024/04april/irseer-blaetter12.pdf